Möwen und Krähen (Timm Ulrichs)




Text für den Katalog anlässlich der Ausstellung

100 Tage - 100 Werke - 100 Autoren zum 80. Geburtstag von Timm Ulrichs

im Haus am Lützowplatz 2020






Beobachtungen in der Landschaft zum Anschließen an die Installation

wie Möwen und Krähen


Dies, so höre ich Timm Ulrichs sagen, sei eines seiner poetischsten Werke. Am frühen Morgen sitzen zwei Krähen schwarz auf der Wiese, noch angstlos und pickend. Zu Mittag in der heißen Sonne lagern Möwen weiß, wie blühende Baumwolle auf einer Wiese vor dem Watt. Einige fliegen auf und eine folgt der anderen mit diesem und jenem Schrei. Am Horizont sind schwarze Kutter zu sehen. Sie nehmen vorerst die Stelle der schwarzen Krähen ein. Als ich zurück blicke hat sich das Gras behauptet, sodass die lagernden Möwen, als akkurates weißes Band, den Horizont fast erreicht haben. Nur ein schmaler grüner Streifen trennt sie vom Schwarz auf dem nicht mehr sichtbaren Meer, bis sie ebenfalls verschwunden sind. Dafür erscheinen zarte weiße Windräder. Eine Krähe, sehr schwarz, ist ans Ufer getreten und wieder verschwunden. Anders als gewünscht, ist sie hier auf der Insel rar. Zeichen verhaltener im Sonnenlicht fast untergehender Klänge, das Rauschen und Sirren, das Lüften und Flügelschlagen verbinden sich mit den Kunstgedanken, mit dem Werk, das sich öffnet und erschafft, eine Versammlung leise vorauseilender und befreiender Augenblicke.


 

© Doris Paschiller

2020












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